VR im HR

Interview mit Roger Seiler

Was sind die wichtigsten Tech-Themen für 2021 mit Blick auf Business-Anwendung?

XR, Automation in Verbindung mit künstlicher Intelligenz, Stichwort RPA (Robotic Process Automation) und digitale, virtuelle Kollaboration sind Tech-Themen mit starker Business-Relevanz. Diese Tech-Themen ermöglichen konkrete Self-Service-Anwendungen zum Beispiel in Form von Chatbots oder Avataren. 

Inwiefern wird Technologie den Menschen ersetzen? Wann ist das Limit erreicht?

Es wird in Zukunft immer mehr Automation geben, welche insbesondere, aber nicht nur, repetitive Aufgaben vom Menschen übernehmen. Dies zeigt sowohl die geschichtliche Entwicklung als auch der Technologieschub der letzten Jahre. 

Gleichzeitig ist die menschliche Kommunikation sehr komplex und lässt sich nicht so leicht ersetzen oder vollständig automatisieren. 

Es entstehen viel eher neue Anwendungsfelder und Berufsbilder durch den Einsatz neuer Technologien. Dabei ist die technologische Entwicklung nicht linear, weshalb eine Vorhersage schwierig ist. 

Ein Limit ist aus meiner Sicht technisch nicht möglich, doch Menschen könnten über das Limit von Technologie-Einsatz bestimmen. Es wird immer wieder technologische Durchbrüche geben, die wiederum neue Ausgangslagen schaffen und so dieses heutige Limit verschieben. 

Die Corona-Krise hat aufgezeigt, wie wichtig menschlicher Kontakt für uns ist. Birgt der Einsatz von VR und Avataren nicht das Risiko noch mehr ehemals menschliche Kontakte durch Computer zu ersetzen?

Dieses Risiko ist bei Einsatz insbesondere von VR und Avataren latent gegeben. Doch es entscheidet immer noch der Mensch, wie diese Technologien zum Einsatz kommen. Der Mensch designt Lösungen, Produkte und Anwendungen der Technologie. Dadurch schaffen wir Mehrwert und Business Cases. 

Ganz im Gegenteil: Wir können sogar Produkte mit Avataren in virtuellen Welten so gestalten, dass zum Beispiel unsere Soft Skills gefördert werden. Dadurch können allenfalls sogar mehr menschliche Kontakte entstehen, weil diese Kompetenzen in aller Regel ja auch aktiv eingesetzt werden. 

Ein weiterer Vorteil von Lösungen mit VR oder Avataren liegt sicherlich darin, dass sie skalierbar sind (ein Avatar wird nicht müde) und sich kosteneffizient umsetzen lassen. Damit profitieren schlussendlich mehr Personen von solchen Produkten. 

Die menschliche Kommunikation wurde auch nicht durch die digitale Kommunikation via Internet ersetzt, sondern ergänzt (mit vielen Vor- und auch gewissen Nachteilen). Deshalb gehe ich davon aus, dass auch Avatare eine weitere Ergänzung in der digitalen Kommunikation sein werden.  

Wo kommt die Avatar-Technologie bereits erfolgreich zum Einsatz?

Avatare unterstützen zum Beispiel beim virtuellen Produktdesign, um die Ergonomie eines neuen Produktes zu testen. 

Auch Ingenieure arbeiten mit Avataren, um im virtuellen Raum an einer Konstruktion mit anderen zu kollaborieren. Jeder Mensch wird mit einem Avatar repräsentiert, womit sich aufzeigen lässt, wo die anderen Personen stehen und was sie aktuell betrachten. 

Komplexe Fragestellungen und Probleme lassen sich virtuell zusammen lösen, unabhängig vom jeweiligen geografischen Standort. Die Automobilindustrie setzt dies schon seit geraumer Zeit sehr erfolgreich ein.

Auch gibt es Anwendungen, in denen Avatare beratend als Ansprechpartner in einem Call Center, bei Reisebuchungen oder beim Kauf von Kosmetikprodukten agieren. 

Worauf sollten Firmen achten, die VR erfolgreich einsetzen möchten?

Unternehmen müssen herausfinden, wie, wo und für was genau die Technologie zielgruppengerichtet eingesetzt werden soll und welche Mehrwerte sie damit schaffen möchten. Ansonsten besteht die Gefahr in eine blinde Technologie-Euphorie zu verfallen.

Zentral ist die Akzeptanz auf Kunden- oder Benutzerseite im Auge zu haben. Die Technologie sollte so benutzerfreundlich wie möglich implementiert werden, damit ein niederschwelliger Zugang der Verwendung und Verbreitung der Lösung begünstigen kann.

Ein MVP (Minimal Viable Product) mit einem spezifischen Mehrwert ist besser als eine «Eierlegende Wollmilchsau». Damit zwingt man sich auch zu überlegen, wo die Technologie zum Einsatz kommen soll und wo eben auch nicht. Design Science und Design Thinking Ansätze sind geeignete Mittel solche Projekte zu initiieren und die Technologie mehrwertstiftend einzusetzen.



Über Dr. Roger Seiler

Dr. Roger Seiler ist Leiter des Mixed Reality Labs (MR-LAB) der SML der ZHAW, stellvertretender Studiengangleiter des Bachelorstudiengangs Wirtschaftsinformatik und Dozent in verschiedenen Master-, Bachelorstudiengängen, MAS und CAS Weiterbildungsangebote.

Er hat einen Universitätsabschluss sowie eine Promotion in Wirtschaftsinformatik zum Thema Vertrauenswürdigkeit von Online-Shops und die Auswirkungen auf den Kundenwert. Praxiserfahrung als internationaler Projektleiter und Entwickler sowie Branchenerfahrung im Dienstleistungs- und Industriesektor sind die Basis für einen engen Praxisbezug.


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Roger Seiler

Leiter des Mixed Reality Labs (MR-LAB) der SML der ZHAW, Dept. Head of BSc. Business Informatics & Senior Lecturer bei ZHAW School of Management and Law

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