D&I Column: Positive Diskriminierung

Diese Kolumne ist eine Kollaboration verschiedener Personen und Organisationen, die sich für Diversity und Inclusion einsetzen.

Positive Diskriminierung: Das «trendy» Werkzeug zur Sichtbarmachung von sozialer Ungleichheit

Als ich zum ersten Mal den Fachbegriff «positive Diskriminierung» bei einer Unterhaltung aufschnappte, stieg in mir ein unbehagliches und irritierendes Bauchgefühl auf.

Zuerst einmal: Das Wort Diskriminierung mit etwas Positivem in Verbindung zu bringen, fühlte sich ziemlich widersprüchlich an. 

Doch genau dieses Erschüttern, gefolgt von einem augenblicklichen Schock, löst die «positive Diskriminierung» aus.

Wie können wir in einer fundamental rassistischen und non-inklusiven Gesellschaft für Gleichwertigkeit kämpfen?

«Positive Diskriminierung» bedeutet: Bewusst durch Quotenzahlen oder andere Methoden den Zugang von marginalisierten Randgruppen an staatliche Institutionen zu ermöglichen.

Im Fall von «positiver Diskriminierung» gilt das Motto: «Ohne Aktion keine Reaktion», denn nur durch aktives Handeln kann zukünftig für das Sichtbarmachen von rassistischen Vorurteilen am Arbeitsplatz gesorgt werden.

Die Macht der Zahlen

Zahlen und Algorithmen sind aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Alle Geräte, die wir besitzen sind, mal grob ausformuliert, das Produkt aus logischen Zahlenfolgen und -kombinationen. 

Die Matrix-Welt ist schon längst Dank der Omnipräsenz von digitalen Geräten wahr geworden. Das hört sich schon nach einem apokalyptischen Szenario an, was aber nicht unbedingt der Fall sein muss.

Ein weiterer Spruch, dessen Aussage die unumstrittene Relevanz und Glaubwürdigkeit von Zahlen bestätigt, ist «Zahlen lügen nie». Zahlen haben demnach immer Recht und werden selten hinterfragt. 

So ist es auch kein Wunder, dass bei der Umsetzung von «positiver Diskriminierung» Zahlen in Form von Quoten eine ausschlaggebende Rolle spielen.

Die positive Seite der Zahlen

Bei der «positiven Diskriminierung» sagen Zahlen mehr als Worte. Im Gegensatz zu Institutionen in der Schweiz bedienen sich bekanntlich seit längerer Zeit renommierte Universitäten aus aller Welt dieser Zulassungsmethode (darunter: Harvard, Oxford, Yale etc.). 

Es geht darum, wenig privilegierten oder benachteiligten Student*innen einen institutionellen Vorteil zu verschaffen. 

Das bedeutet also, dass zum Beispiel Personen aus ärmeren Verhältnissen oder aus marginalisierten Randgruppen auch die Möglichkeit erhalten, sich an einer angesehenen Universität akademisch weiterzubilden. 

Verfolgt wird dabei das Ziel, existierende racial biases (hartnäckige rassistische Stereotype oder Vorurteile) und deren Einfluss auf den Zulassungsprozess und -entscheid sichtbar zu machen. 

Die Kritik an den Zahlen

Doch nicht selten werden genau dieselben Quoten, die für Gleichbehandlung an renommierten Universitäten sorgen sollen, gegen diese Institutionen juristisch eingesetzt. 

Ohnehin schon privilegierte Personen nehmen die Quoten der «positiven Diskriminierung» zum Anlass, um gegen die betroffenen Institutionen vorzugehen. 

Es sind die, die nicht das strukturelle Problem erkennen oder anerkennen. Und es sind die, die sich vermutlich das erste Mal in ihrem Leben benachteiligt fühlen und damit keinen anderen Umgang haben, als zu klagen. 

Auf der anderen Seite verlangen links-politisch angelehnte Aktivist*innen über öffentliche Medien von den Institutionen höhere Quotenzahlen, um für mehr Inklusion und Gleichberechtigung zu sorgen. 

Man kann’s tatsächlich nicht allen recht machen! Die Kritik an der «positiven Diskriminierung» von beiden Seiten zeigt vor allem eines: es besteht die Notwendigkeit, offener miteinander zu kommunizieren. 

Aus meiner Sicht zeigt sich, wie tief racial biases in unserer Gesellschaft sowohl strukturell wie auch institutionell verankert sind.

Die Zukunft ohne Zahlen

Warum ist die Zahlen- und Quotenerhebung bei der «positiven Diskriminierung» so relevant? 

Nun, wenn davon ausgegangen wird, dass wir in einer rassistischen Gesellschaft aufwachsen und auch Teil ihrer postkolonialistischen Geschichte sind, wird klar, warum nicht alle dieselben Privilegien besitzen. 

Im Leben starten nicht alle am selben Punkt. Manche befinden sich schon vor ihrer Geburt an einer benachteiligten sozialen Rangstellung. 

In ferner Zukunft sollte sich der Zulassungs- und Einstellungsprozess von Menschen aus marginalisierten Randgruppen und mit verschiedenen kulturellen Hintergründen an Universitäten und Arbeitsplätze möglichst organisch anfühlen. 

Adieu Zahlen, Hallo Menschheit! Das wär’ doch mal was!


Über Yania Betancourt Garcia 

Yania Betancourt Garcia, geboren in Havanna, studiert Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt in Soziologie an der Universität in Luzern. Sie setzt sich aktiv gegen systematischen und strukturellen Rassismus in der Schweiz ein, ist Mitglied des Schwarzen Frauen Netzwerkes Bla*sh. Sie schreibt für Diversify - ein Schweizer Unternehmen, das Organisationen befähigt integrative Arbeitsumgebungen zu entwickeln.

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